Zusammengefasst von Grossrat Lukas Bardill
Es war meine dritte Session als gewählter Grossrat. Auftakt bildete auch diesmal die Fraktionssitzung am Montagvormittag. Wichtige Geschäfte wie Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der Familienergänzenden Kinderbetreuung im Kanton Graubünden (KIBEG) wurden dort vorbesprochen. Insbesondere stellte die Fraktion auch Überlegungen zu den wahrscheinlichen Kräfteverhältnissen bei einzelnen Gesetzesartikeln an. Daraus resultierte schliesslich die Antwort auf die Frage, wie wir als Fraktion wohl die grösste Wirkung erzielen können. Ich erlebte diese strategischen Abklärungen als spannend, auch wenn klar war, dass es anders kommen könnte, als man es sich zu diesem Zeitpunkt dachte.
Jahresprogramm 2023
Bereits in der Eintretensdebatte erhielt ich als Mitglied der Kommission für Staatspolitik und Strategie die Gelegenheit, mit einem Votum an die Ratskolleg:innen zu gelangen. Obwohl bereits in der vorberatenden Kommission viele Fragen zum Jahresprogramm geklärt werden konnten und ich dem Rat deshalb empfahl, sich in der Diskussion auf die zentralen Punkte zu beschränken, konnte das Geschäft erst gegen Abend erledigt werden.
Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle das Regierungsziel 6 herausgreifen. Dabei ging es um: «Eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung und zeitgemässe Betreuungsmöglichkeiten im ganzen Kanton gewährleisten». Die Fragen aus dem Rat entzündeten sich an der Umsetzung der im Frühling angenommenen Pflegeinitiative, die gefühlt nur schleppend vorangehe. Regierungsrat Peter Peyer konnte die daraus entstehenden Fragen mit dem Hinweis auf die Vielschichtigkeit der Problemstellung beantworten. Die Sicherstellung von Fachkräften in der Spitex, von Ausbildung der Pflegefachkräfte, von einem vollzeitlich einsatzbereiten Rettungsdienst in peripheren Tälern und von weiteren Faktoren sei eine riesige Herausforderung. Der Gesundheitsdirektor machte deutlich, dass politisch effizientes und verantwortliches Handeln nicht durch eine einzelne Massnahme zu erreichen sei. Es gelte, mit verschiedenen Stellschrauben die richtigen Impulse auszulösen, um die Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung unseres Gebirgskantons zu bewältigen.
Budget 23
Die Eintretensdebatte war geprägt von den zwei unterschiedlich Sichtweisen, die sich beide am Vokabular des Wetterberichts bedienten. So wurde vor dunklen Wolken gewarnt, die mit Blick auf die unsichere Wirtschaftslage bereits jetzt am Himmel aufzögen. Auf der anderen Seite wurde festgehalten, dass wegen genau dieser Schwarzmalerei in den letzten 15 Jahren die Rechnungen des Kantons im Jahresschnitt um CHF 100 Mio höher schlossen, als dies im jeweiligen Budget angepeilt wurde. Vor diesem Hintergrund wurde darauf hingewiesen, dass die naturgegebene Unsicherheit einer Prognose, wie sie ein Budget eben ist, nicht von der Angst geleitet werden dürfe. Es handle sich daher nicht um schwarze sondern um hellblaue Wolken.
Auf einen häufig genannten Begriff möchte ich an dieser Stelle kurz eingehen: Es geht um die acht «finanzpolitischen Richtwerte». Mit diesen Richtwerten hat der Grosse Rat ein Instrument zur Hand, mit dem er disziplinierend auf die Ausgaben im Kantonshaushalt einwirken kann. Die Richtwerte wurden von der Regierung ernst genommen. Dies zeigte sich daran, dass mit dem Budget 23 alle Richtwerte eingehalten werden konnten. Klar wurde aber auch, dass mit diesem finanzpolitischen Steuerinstrument gewisse Leistungen des Kantons in Frage gestellt werden können. Ging es im Budget aber um konkrete Kürzungsanträge (z.B. Unterstützung Drittbetreuung von Kindern, Nachhaltigkeitszulage) wurde klar, dass mit Blick auf deren Wichtigkeit eine Kürzung oder Streichung chancenlos blieb.
Für die Erfolgsrechnung ist mit einem betrieblichen Aufwand von 2’810 Millionen Franken (2’680 Millionen Franken im Vorjahr) zu rechnen. Unter dem Strich wird ein Aufwandüberschuss von 10.4 Millionen Franken (9.0 Millionen Franken im Vorjahr) resultieren. Die Nettoinvestitionen werden sich auf 301.1 Millionen Franken (280.7 Millionen Franken im Vorjahr) belaufen. Der Grosse Rat genehmigte die Anträge der Regierung und der GPK betreffend Budget 2023 mit 109 Stimmen (einstimmig).
KIBEG
Die allgemeine Akzeptanz gegenüber familienergänzendem Betreuungsangebot für Kinder war für alle Fraktionen im Rat unbestritten. Die gesellschaftspolitisch wichtige Gesetzesrevision wurde in einem neuralgischen Moment im Rat behandelt. Der Druck, neue Fachkräfte für den Bündner Arbeitsmarkt zu finden, ist enorm und wird sich künftig weiter zuspitzen. Eintreten war vor diesem Hintergrund unbestritten. Verschiedene Optionen in Abweichung zum Botschaftstext bei einzelnen Artikeln machten deutlich, dass je nach Entscheid sehr direkt auf die Fortschrittlichkeit des Gesetzes eingewirkt werden konnte. Eine umfangreiche Diskussion zu mehreren Anträgen wurde über die Höhe der Unterstützungsbeiträge durch Kanton und Gemeinden an die Normkosten der Kinderbetreuung geführt. In Abweichung zur Botschaft entschied sich der Rat sowohl bei den höheren als auch bei den tieferen Einkommen für die grosszügige Subventionierung. Zudem legte der Grosse Rat den Kredit zur Finanzierung der Vergünstigungen mit 60 bis 80% der Normkosten fest. Damit entschied er sich für eine grössere Geldmenge, mit der sich die öffentliche Hand an der familienergänzenden Kinderbetreuung beteiligen soll. Aus Sicht meiner Fraktion setzte der Grosse Rat ein starkes Zeichen für ein attraktives Graubünden als Lebensraum für Familien, für Arbeitskräfte und für die Prävention zur Dämpfung späterer Sozialhilfekosten zu Lasten der Gemeinden.
Der Grossrat genehmigte mit 82:18 Stimmen und 0 Enthaltungen die Totalrevision des Gesetzes über die Förderung der Familienergänzenden Kinderbetreuung (KIBEG). Die finanzielle Aufwand von Seiten der öffentlichen Hand liegt künftig bei 12.4 bis 16.4 Millionen Franken. Im vergangenen Jahr lag dieser Kostenpunkt bei 7.9 Millionen Franken.
Fragestunde und Energiedebatte
Neben der regulären Fragestunde am Mittwochvormittag wurde den elf zusätzlich eingereichten Fragen rund um die Energiekrise ein eigener Block zugestanden. In den Ausführungen der Regierungsräte wurde deutlich, dass es sich um einen departementsübergreifenden Sachverhalt handelte. Das Departement für Infrastruktur, Energie und Mobilität (RR Mario Cavigelli) stand jedoch im Vordergrund. Hier ging es um Auskünfte zu Infrastrukturprojekten im Bereich erneuerbarer Energien. Der Druck, verschiedene Energieproduktionswerke zeitnah umsetzen zu können, war aus dem Rat heraus deutlich zu spüren. Die Regierung wies darauf hin, dass der Umsetzungsprozess solcher Projekte komplex sei. Als Beispiel kann hier das Werk Chlus herangezogen werden. Es sind Umweltprüfungen, es sind Einsprachen von Privaten und von Verbänden und es ist die Komplexität der fachlichen und technischen Ansprüche, die eine Umsetzung über Nacht nicht möglich machen. Ein Ei mit Strom aus dem Chlus-Kraftwerk zu kochen, wird vor dem Jahre 2030 kaum möglich sein. An das Volkswirtschaftsdepartement (RR Marcus Caduff) gerichtete Fragen wollten ergründen, inwieweit die öffentliche Hand, insbesondere der Kanton, bspw. bei explodierenden Energiepreisen stützend in den Markt eingreifen soll. Die Zurückhaltung der Regierung gegenüber Interventionen zur Sicherung der privaten Unternehmen wurde mit Blick auf unnötige Markteingriffe zum Ausdruck gebracht. Wenn sich beispielsweise Betriebe vor Jahren für den Stromeinkauf auf dem freien Markt entschieden, so war dies ein unternehmerischer Schritt der in eigener Verantwortung vorgenommen wurde. Interventionen durch den Kanton würden dann geprüft, wenn grundlegende Leistungen und Strukturen des Kantons gefährdet seien. Bezüglich Finanzen (RR Christian Rathgeb) interessierte die Frage, ob exorbitante Gewinne von Stromproduktionskonzernen mit einer Übergewinnsteuer belegt werden können. Die Regierung winkte ab. Ebenso leistet der Kanton auf der anderen Seite keine Ausgleichsbeiträge an Gemeinden, weil dazu die rechtlichen Grundlagen fehlen. Von Seiten des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit (RR Peter Peyer) wurde aufgezeigt, wie in einer allfälligen Notlage mit Kommunikation, Information und ganz am Schluss auch mit Versorgungsplänen bei einem Strommangellage vorgegangen würde. Die Regierung wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Offensive im Aufbau von Prozessplänen für Krisensituationen, wie sie bereits in der Pandemie forciert wurde, eine allgemeine Aufgabe sei, die losgelöst von einer (noch nicht eingetroffenen) Energiekrise umgesetzt würde. Der Kanton müsse sich jederzeit auf tragfähige Krisenstrukturen abstützen können. Im Departement Erziehung, Kultur und Umwelt (RR Jon Domenic Parolini) ging es um die Klarstellung, wie auf eine Energieknappheit zu reagieren sei. Der Betrieb für Bildungs- und die Kultureinrichtungen soll auch bei allfälligen Netzabschaltungen und Energieengpässen weitestgehend aufrecht erhalten werden. Nach aktueller Einschätzung könne diesem Grundsatz Rechnung getragen werden.
Rutschung Brienz Brinzauls
Als letztes Sachgeschäft am Mittwoch stand die Rutschung Brienz Brinzauls im Fokus. Beindruckend, ja unheimlich ist der Umstand, dass die Dorfbewohner:innen einerseits mit einer potentiell drohenden Naturkatastrophe und andererseits mit der permanenten Rutschung ihrer Wohnhäuser von 1.5m/Jahr und mit ständigem Steinschlag konfrontiert sind. Der Wille zur Solidarität des Grossen Rats und der Regierung gegenüber der betroffenen Bevölkerung stand nach 10 min fest. In einem Redemarathon übertrafen sich etwa ein Duzend Parlamentarier:innen mit rhetorisch geschmücktem Mitgefühl. Einen Einfluss auf das Abstimmungsresultat hatte dies jedoch keinen.
Der vom Grossen Rat mit 110 Stimmen (einstimmig) beschlossene Verpflichtungskredit für den Bau eines Entwässerungsstollens beläuft sich auf brutto 40 Millionen Franken.
Nach dem Wahlgeschäft zur Besetzung der Ämter im Verwaltungs- und Zwangsmassnahmegericht durften wir zwei grosse Figuren aus der Bündner Politik verabschieden: Dr. Mario Cavigelli und Dr. Christian Rathgeb prägten die kantonale Exekutive während zwölf bzw. während zehn Jahren.
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