Neuland betreten

Die Vorbereitungen für die Wahlen waren auch für das Wahlkampfteam im Prättigau eine intensive, aber auch lehreiche Zeit. Denn mit dem neuen Wahlsystem betrat die SP im Prättigau vielerorts Neuland. Und dann unser erster Wahlkampf im ganzen Prättigau. Ein persönlicher Rückblick.

Mit dem neuen Wahlsystem erhielt die SP im Prättigau die erstmals die Chance, gemeinsam mit der GRÜNE in allen Wahlkreisen Kandidatinnen oder Kandidaten aufzustellen. Was das genau bedeutet, offenbarte sich Marianna und mir eigentlich erst, als wir anfangs Jahr die offiziellen Wahlvorschläge bei der SP Graubünden einreichen mussten. Denn es reicht nicht, ein paar Namen zusammenzutragen von Frauen und Männern, die sich bereit sind, sich für die Wahlen zur Verfügung zu stellen. Was für sich schon eine recht anspruchsvolle Aufgabe war. 

Am Nominationsparteitag im November 2021 verkündet Marianna die Kandierenden im Prättigau

Für eine Kandidatur braucht es zwei offizielle Formulare: einen Wahlfähigkeitsausweis für alle Kandidatinnen und Kandidaten sowie einen offiziellen Wahlvorschlag. Und auf beiden amtlichen Dokumenten braucht es vor allem eines: Unterschriften. Beim Wahlvorschlag braucht es mindestens fünf von stimmberechtige Personen im Wahlkreis der Kandidierenden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Wahlkreis mit drei Sitzen wie Klosters oder Schiers oder Einerwahlkreise wie Jenaz oder Seewis handelt. 

Und Agrena hält eine flammende Rede für die Grünen.

Unterschriften, Unterschriften und Stempel

Entsprechend viel Zeit verbrachten Marianna und ich damit, um von Seewis bis Klosters in allen Wahlkreisen und Gemeinden alle nötigen Unterschriften einzuholen. Dabei entstanden einige schöne Begegnungen und spontane Gespräche über Politik, auch mit Menschen, von denen wir keine Ahnung hatten, dass sie sich für Politik interessieren. 

Eine Stimmbürgerin in Seewis zum Beispiel setzte ihre Unterschrift unter unseren Wahlvorschlag, obwohl sie von sich sagte, dass sie nicht unbedingt Links-Grün wähle. Aber sie hatte verstanden, wie wichtig es ist, dass diese fünf Unterschriften zusammenkommen, damit die Kandidatur überhaupt zustande kommt. (Etwas, was der GLP in ein paar Wahlkreisen zum Verhängnis geworden war.) Und sie hatte auch verstanden, dass sie sich mit ihrer Unterschrift zu nichts verpflichtet. Denn bei den Wahlen stand es auch ihr völlig frei, für welche Kandidatin oder Kandidaten sie ihren Wahlzettel abgibt. 

Stempel und Unterschriften sammeln brachte uns in Gespräch, auch auf Gemeindeverwaltungen.

Ins Gespräch kamen wir auch auf den Gemeindeverwaltungen. Denn das neue Vorgehen war für alle Mitarbeitenden völlig neu, was da und dort zu Unsicherheiten und Fragen führte. Kam hinzu, dass wir in den meisten Gemeinden die ersten waren, die mit den Formularen aufkreuzten. Aber, wir waren gut informiert und konnten entsprechend kompetent Fragen beantworten. Die SP Graubünden hatte uns gründlich über das neue Prozedere bei den Grossratswahlen aufgeklärt.

Einzig in Seewis geriet ich unverhofft in eine leicht gehässige Diskussion mit der Mitarbeiterin. Dies, weil sie mir partout nicht glauben wollte, dass unser Kandidat Claudio nicht in Seewis wohnen muss. Im Gegensatz zu den Seewiser Stimmbürger:innen, die seinen Wahlvorschlag unterschrieben hatten. (Randnotiz 1: Wir haben Seewis wohl auf den Geschmack gebracht. Am Ende schickte die Mitte ihren bisherigen Grossrat Urs Hardegger aus Seewis in Küblis ins Rennen. Er hatte Nina Gansner Platz gemacht.) 

Sich in Position bringen

Kaum waren die Unterschriften beisammen, ging es um Inhalte. Die Kandidierenden waren aufgefordert, ihr persönliches politisches Programm in Worte zu fassen, für das Wahlkampfmaterial, aber auch für Kurzportraits in verschiedenen Online-Medien. Während mir das Posieren für das Foto noch relativ leichtgefallen war – die Fotografin Susi Haas macht das wunderbar! –, hatte ich anfangs grosse Mühe, meine eigenen politischen Positionen und Werte auszuformulieren. Ich war aber in bester Gesellschaft, denn vielen anderen erging es ähnlich. Und mit der Zeit gewann auch ich an Übung und Präzision.

Im April ging es dann los mit dem eigentlichen Wahlkampf – wobei wir das Wort in Anbetracht des Krieges in der Ukraine möglichst vermieden. Die Flyer mit unseren Porträts und Positionen waren gedruckt und mussten nun an die Stimmbürger:innen verteilt werden, möglichst zeitgleich mit den Wahlunterlagen. Die Hoffnung war, dass sie so nicht gleich im Altpapier landen. (Was aber zum Teil trotzdem geschehen ist.)

So sassen Anfang April in Klosters und am Gründonnerstag in Küblis und in Schiers Kandidierende und Helfer:innen aller Parteien und verpackten die Flyer in ein Couvert. Marianna und ich waren in Küblis, wo wir an einem Tisch in der Garage Gort die Flyer für die Wahlkreise Jenaz, Küblis und Luzein abpackten. Die Stimmung war locker, es wurde viel geredet und der eine oder andere Witz gemacht. Für einmal spielten die Parteien überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil, als wir feststellten, dass für mich zu wenig Flyer gedruckt worden waren, verschwand Thomas Gort im Büro, wo er unaufgefordert 30 Flyer für mich ausdruckte. Einziger Makel: Das schöne Hintergrundgrün unserer Kampagne hatte eine verdächtig SVP-lastigen Gelbstich, wie wir beide lachend feststellten.

SP bi de Lüt

Wir hatten uns von Anfang an vorgenommen, dass wir einen persönlichen, lustvollen und auch spielerischen Wahlkampf betreiben wollen. Vor allem auch, um wieder einen freundlicheren Ton in politische Diskussionen einzubringen. Natürlich haben auch wir Inserate geschaltet und Plakate aufgehängt, allerdings trumpften die anderen Parteien mit ihren zum Teil überdimensionierten Plakaten und Banner mächtig auf, was den einen oder die andere von uns doch etwas einschüchterte.

Kandidierende auf verschiedenen Stufen (von unten links): Jürg Mächler (Wahlkreis Schiers), Peter Peyer (Regierungsrat, bisher), Claudio Bernhard (Wahlkreis Seewis), Monika Baumgartner (Wahlkreis Jenaz), Patricia Hermle und Carolina Rusch Nigg (Wahlkreis Maienfeld), Lukas Bardill und Agrena Schuler (Wahlkreis Schiers), Marianna Dürr-Dachauer (Wahlkreis Küblis)

Da konnten und wollten wir nicht mithalten, auch wenn Christof in Klosters erstmals Plakate von unserer Partei gut sichtbar an den Kandelabern montierte. Vielmehr setzten wir auf Medienpräsenz und persönliche Gespräche. So gingen Annemarie, Marianna und auch ich in unseren Wahlkreisen von Tür zu Tür. Dabei stellte sich heraus, wie wichtig das Timing ist. Annemarie war früh dran, was  wohl auch zu ihrem beeindruckend guten Wahlergebnis beigetragen hat. Auch Marianna hat sicher noch die eine oder andere Stimme geholt mit ihren Hexenbesen zu Walpurgisnacht geholt. Auch wenn sie mit der unerfreulichen Tatsache konfrontiert wurde, dass es noch Frauen gibt, die keine Frauen oder eben Wiiber in der Politik haben wollen. Ich selber war zuletzt noch in Furna unterwegs, war dort aber eindeutig zu spät. Und ich merkte auch, das ist nicht mein Ding. 

Unbestrittener Höhepunkt unserer Wahlkampagne war der Wahlhengert im Rosengarten Grüsch und auf der Putzer Burg Castels. Ganz bewusst hatten wir die Zusammenarbeit mit einheimischen Bäuerinnen und Landfrauen gesucht und mit Schilter drei Musiker engagiert, die ihre Wurzeln im Prättigau haben. Einzig das Wetter war eine Zitterpartie, zeigte sich aber dann doch noch von der kooperativen Seite. Beide Anlässe waren sehr gesellig und gemütlich, und erfreulicherweise zeigten sich doch ein paar persönlich eingeladene Gäste. Was mich ganz besonders freute war, dass wir es sogar bis ins Schweizer Fernsehen geschafft haben mit unserem Putzer Wahlhengert. (Randnotiz 2: Auch hier könnte man behaupten, dass die Mitte sich von uns inspirieren liess. Denn kurz darauf veranstaltete sie eine Stubete mit ihren Kandidaten in Jenaz.)

Schilter und die Panyer Bäuerinnen machen sich bereit für den Putzer Hengert.

In der Schlussphase gingen die Kandidierenden in Klosters und in Schiers noch auf die Strasse, um Flyer zu verteilen. In Schiers stand die Abstimmung über den Austritt der Gemeinde aus dem Schulverband im Vordergrund, was für Lukas und Jürg ein wertvoller Aufhänger für persönliche Gespräche war. (Agrena war gerade im Ausland.)

Fazit

Alles in allem war es eine intensive, phasenweise sehr anstrengende Zeit mit vielen schönen Begegnungen und bereichernden Gesprächen. Schon von dem her hat sich der Aufwand gelohnt. Vor allem konnten wir alle der Partei im Prättigau ein Gesicht geben, was uns in Zukunft sicher zugutekommt. 

Jetzt gilt es, den Wahlmodus auszuschalten, abzuschalten und sich den Themen zu widmen, die uns am Herzen liegen.

Monika Baumgartner


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