Meine Reaktion auf den P.S. Artikel ‚Es braucht eine Radikalkur‘ von Nicole Soland
Die mir leider erst am 16. Jan. 2021 im P.S. bekannt gewordenen Pläne der pensionierten Bündner-Genossen Willi Herrmann und Heini Hagmann haben mich sehr gefreut und überrascht. Ich teile weit-gehend deren Überlegungen zur Lancierung einer gemeinwohlorientierten Finanztransaktionssteuer (als Mikrosteuer), die sich mit meiner folgenden Kritik an der aktuellen ‚unpolitischen‘ Mikrosteuer (MSI) überschneiden. An dieser noch zu überarbeitenden Initiative (siehe: https://sic.sp-praettigau.ch) würde ich mich gerne beteiligen.
Für die hängige Initiative sind offenbar erst ca. 35 – 40‘000 Unterschriften gesammelt worden. Dazu müssten (unter Corona-Bedingungen) bis zum Herbst noch mind. 65 ‘000 dazu kommen.
M.W. haben sich bisher in der SPS keine Finanzpolitiker*innen vertieft mit der hängigen Initiative der kleinen ‚neutralen‘ Expertengruppe* beschäftigt.
Die Initianten der MSI gingen ursprünglich von jährlichen Finanztransaktionen im Werte von total 100 Billionen CHF aus. Gemäss Informationen des Zahlungssystems SIX/SIC vom 16.1.2021 dürften 2020 aber bei den 728 Mio. Transaktionen nur Beträge von ca. 50 Bio.- überwiesen worden sein. Was hier zutrifft, würde erst ein Realitätstest ergeben. Je nachdem ergäben sich bei den unterschiedlichen Steuersätzen auch völlig unterschiedliche Erträge zwischen schätzungsweise 5 – 50 Mrd. CHF pro Jahr.
Diskussion zur hängigen Mikrosteuer-Initiative (MSI)
In meinem kontradiktorischen Referat vom 11.Jan. vor SP Sektion Zürich 6 mit Zoom standen mir als Befürworter der Kampagnenleiter Marc Wilmes sowie die Hauptinitianten* Finanz-Prof. Marc Chesney und Vermögensverwalter Felix Bolliger gegenüber. Ihre wichtigsten Pro-Argumente waren: Vereinfachtes Steuersystem, verstärkter Einbezug der Banken, im 1. Jahr nach Annahme der MSI und einem Steuersatz von 0.05 Promille resultierende Erträge von geschätzten 5 Mrd. CHF – später nach Abschaffung der Bundessteuer, Stempelsteuer und der Mehrwertsteuer (!) sollten die Steuersätze auf 0.1 Promille erhöht werden und damit mind. 50 Mrd. Einnahmen erbringen. Zudem wolle man bewusst einen ‚unpolitischen Expertenvorschlag‘ einbringen, der gegebenenfalls noch ‚problemlos‘ durch einen Gegenvorschlag ersetzt werden könnte. Man wolle nur eine (leistungsbezogene) Umverteilung und keine antikapitalistische Rückverteilung. Das Initiativ-Projekt sei auch v.a. als Probelauf gedacht. Meine Contra-Hauptargumente: Die MSI könnte v.a. für grosse, professionelle Finanztransaktionen leicht von und in Ländern ohne MSI umgangen werden. Völkerrechtlich könnte die Schweiz andere Länder nicht zur Anwendung der MSI in ihrem Staatsgebiet verpflichten. Die vorgesehen MSI-Erträge wären viel zu unsicher und zu tief für die Bewältigung der heutigen Schulden und Steuerprobleme. Zu-dem fehlten beim Wegfall der direkten Bundessteuer gemäss Prognosen der Eidg. Finanzverwaltung für 2021 von den ca. 80 Mrd. Total-Steuereinnahmen – allein 23.4 Mrd. bei der Bundessteuer sowie 22.8 Mrd. – bei der MWSt. Eine MSI brächte am Schluss gemäss Initianten bei 0.1 Promille nur ca. 50 Mrd. Einnahmen. Damit wären die aktuellen Riesenprobleme nicht zu finanzieren. Durchschnittlich würde die MSI pro Person auch nur eine Entlastung von ca. 5‘000 CHF/Jahr bringen. Dabei entfielen jedoch die oben erwähnten Bundessteuern, womit vermutlich auch die Unter- und Mittelschicht mangels Progressionseinahmen mehr Steuern bezahlen müssten. Es meldeten sich nur wenige Votanten mit m.E. eher kritischen Einstellungen zur MSI. Die SP-Sektionen werden sich hoffentlich – nach dem Ende der anhaltenden Pandemie – wieder einmal vor Ort konkret dazu äussern müssen, wenn die Initiative überhaupt noch zustande kommen sollte. Wir sollten deshalb nur die eingangs erwähnte gemeinwohlorientierte MSI unterstützen.
Werner Kallenberger, SP Zürich 7/8
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